Im Auftrag der OutDoor by ISPO hat Marcel Beaufils vom rheingold institut mit tiefenpsychologischen Interviews und Analysen den Nutzen bzw. den Einfluss von Outdoor-Sport auf die menschliche Psyche untersucht. Warum Outdoor-Sport im Allgemeinen und Skifahren im Speziellen, gerade in Zeiten von Corona, gut für die Psyche ist, erzählt er im SnowTrex-Interview.
Herr Beaufils, erst einmal ganz allgemein und unabhängig von Corona: Was gibt Outdoor-Sport den Menschen?
In unserer Studie, die noch vor Corona durchgeführt wurde, haben wir festgestellt, dass Outdoor-Sport für Menschen primär eine Art Prozess ist, durch den sie psychologisch gehen. Im Grunde kann man auch sagen: Sie machen eine kleine Heldenreise. Und genau diese tut den Menschen gut: Zunächst kommen wir heraus aus unserem stressigen, über kultivierten Alltag, also weg von den Herausforderungen des Alltags – so wie es der Begriff „Outdoor“ schon sagt. Wir sehen uns mit neuen, ganz anderen Forderungen als jenen des Alltags konfrontiert – also mit dem Neuen, dem Unbekannten, dem Reizvollen. Das ist der erste Schritt unserer Heldenreise. Dann gehen wir gewissermaßen durch dieses Unbekannte hindurch und merken, dass wir hier neue Dinge bewältigen können, Hindernisse überwinden können, einfache Sachen lernen, wertzuschätzen und Durchhaltevermögen zeigen können – das alles gibt uns am Schluss das Gefühl von Stärke und Entwicklung. „Ich habe etwas geschafft!“ Das zeigt dann auch in gewisser Weise schon den heilsamen Charakter von Outdoor-Sport: Man ist wieder aufgeladen und kann dem Alltag gestärkt begegnen.
Die einfachen Dinge wieder wertschätzen – was meinen Sie damit?
Das ist die so schlichte und doch so leckere Tomatensuppe nach einer langen Wanderung, die heiße Dusche oder der heiße Kakao nach dem Skifahren oder ähnliches. Man war in der Natur, kommt glücklich, aber komplett erschöpft an und erfreut sich an den Kleinigkeiten des Lebens, die einem auf einmal als sehr sinnliches Erlebnis vorkommen. Eine heiße Dusche zu nehmen, nachdem man vorher in einem wohltemperierten Wohnzimmer gesessen hat, ist da nur halb so schön – es ist bloß ein „alltägliches Duscherlebnis“. Das ursprüngliche Gefühl für Nahrung, Wärme etc. kommt hauptsächlich dann zutage, wenn wir in der Natur waren!
Diese genannten Erkenntnisse haben Sie VOR Ausbruch der Corona-Pandemie gewonnen. Wie beeinflusst die Pandemie und vor allem auch der zwischenzeitliche Lockdown die Einstellung der Menschen zu Outdoor-Sport – vor allem auch der Menschen, die vorher noch keinen Outdoor-Sport betrieben haben?
Wir haben nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie zwar nicht noch einmal eine neue Outdoor-Studie gemacht, wir haben aber für diverse andere Kunden geschätzt tausend Corona-Studien gemacht, die den „neuen Alltag“ der Menschen natürlich immer einbezogen haben. Hierbei kam das Thema Outdoor wirklich IMMER vor. Herausgehen, Spazierengehen, Fahrradfahren usw. stand bei vielen, vielen Menschen an der Tagesordnung. Selbst die Unsportlichsten haben gemerkt, dass es gut ist, mal rauszugehen und wie heilsam Outdoor eben ist. Insofern hat Outdoor mit der Corona-Pandemie ganz stark an Bedeutung zugenommen. Weil die Menschen zudem auch gemerkt haben, dass Outdoor „um die Ecke“ sein kann. Dass man sich also um die Ecke austoben kann und einem das gerade in so einer Zeit, in der man in gewisser Hinsicht eingesperrt ist, so viel gibt. Außerdem hatten zumindest Kinderlose auch viel weniger Verpflichtungen zur Zeit des Lockdowns. Also hat man sich durch Outdoor auch eine gewisse Rückgewinnung der Kontrolle geholt: „Ich kann trotz Corona und Lockdown meine Welt kreieren und gestalten. Ich hole mich aus der Ohnmachtserfahrung heraus und gestalte meine Welt.“ Stark heruntergebrochen zeigt die Sehnsucht nach Rückgewinnung der Kontrolle und Gestaltung der eigenen Welt auch der exzessive Klopapierkauf der Menschen – auch das gab vielen in gewisser Weise Sicherheit und Kontrolle.
Sicherheit, Kontrolle – und auch Geborgenheit?
Auf jeden Fall. Die Natur kann Menschen tatsächlich Geborgenheit geben, sie bildet einen Rahmen für mich als kleinen Menschen. In meinen Webinaren spreche ich oftmals auch von „Outdoor is the new church“, was nichts anderes bedeutet, als dass Outdoor Heilung, Schutz und Sicherheit geben kann, was letztlich im Gefühl der Geborgenheit mündet.
Diese Erkenntnisse heruntergebrochen auf den Skisport: In Ihrem Webinar sagten Sie kürzlich auch, dass vor allem „Skifahren heilt“. Wie meinen Sie das?
Skifahren ist ein Teil der Outdoor-Welt und damit eine Art Zuspitzung des Outdoor-Moments. Es ist viel mehr Outdoor als beispielsweise im Park spazieren zu gehen. Das heißt alles, was Outdoor mit sich bringt und was ich oben bereits erwähnte – Orientierung, Sicherheit, Stärke etc. – ist beim Skifahren komplett präsent: Mehr Natur, mehr Herausforderung, mehr dem Alltag entkommen. Nicht zu vergessen ist bei diesem Outdoor-Sport auch die Magie des Schnees. Der Schnee kann als magisches Element empfunden werden, das alles in eine weiche Hülle packt, Ruhe gibt, Dinge unberührt und jungfräulich erscheinen lässt, die Welt etwas stiller macht und die Alltagshektik abfedert. Es kommt zu einer angenehmen Beruhigung, das Grundrauschen des Alltags wird durch den Schnee genommen, der Stress verpufft und man entspannt sich. Diese Empfindungen potenzieren sich, wenn man dann noch über den Schnee gleitet und sich keinen Widerständen mehr entgegengesetzt fühlt.
Neben dem Schnee sind es doch sicher auch die Berge, die eine solch positive Wirkung haben?
Natürlich. Die gewaltigen Berge wie die Alpen machen primär die Demutserfahrung ganz stark: Man ist da oben auf dem Berg und ist einfach überwältigt von der endlosen Weite. Man merkt, dass man ganz klein ist und sieht sich der Herausforderung, die Berge „zu bewältigen“ – zum Beispiel, indem man sie eben mit Skiern befährt – entgegengesetzt.
Würden Sie abschließend so weit gehen zu sagen, dass Outdoor-Sport im Allgemeinen und bspw. Skifahren im Speziellen den Menschen helfen kann, gestärkt aus der derzeitigen Corona-Krise zu kommen?
Ich glaube schon, dass Skifahren durch das zugespitzte Outdoor-Erlebnis dem Menschen ganz viel gibt, etwa das Gefühl der Geborgenheit, das Gefühl, wieder Körperlich-Sinnliches zu spüren. Der Corona-Alltag ist gerade ja sehr abgedämpft -, das Gefühl, dass man sich frei bewegen und vor allem, dass man sich entwickeln kann! Jeden Tag wird das Skifahren einen Tick besser, eine solche Entwicklung – in welchem Bereich auch immer – ist während Corona schlecht auszuleben. Dabei ist Entwicklung so wichtig: Ohne Entwicklung ist psychologisch gesehen immer Leiden da. Im Umkehrschluss ist Entwicklung, wie sie einem das Skifahren eben geben kann, Freude.
Vielen Dank für das Gespräch!
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